No1984 / Prozess / Presseerklärung


Presseerklärung:
Satire im Internet,
angeblich Billigung von Straftaten


Holger Voss
[...]

48[...] Münster

E-Mail:
Tel.:
Fax:

hvoss@muenster.de
0251/[...]
0251/[...]

Münster, den 04. Januar 2003


Presseerklärung

Am kommenden Mittwoch, dem 08. Januar 2003, stehe ich wegen angeblicher Billigung von Mord vor Gericht. Meine Äußerungen gegen die Verharmlosung eines Massakers an Kriegsgefangenen wird mir ausgelegt als Billigung von Mord.


Das „Magazin für Netzkultur” Telepolis veröffentlichte im Juni 2002 einen Artikel über ein Kriegsmassaker, das mutmaßlich von der afghanischen Nordallianz an einigen tausend Kriegsgefangenen begangen wurde – unterstützt durch Soldaten der USA und Großbritanniens.
Im Diskussionsforum zu diesem Artikel lobte ein Unbekannter mit dem Pseudonym „Engine_of_Aggression” das Massaker.
Diese Verherrlichung von Gewalt gegenüber Kriegsgefangenen habe ich sarkastisch aufgegriffen, um sie mit vertauschten Rollen und ironisch überspitzt zu erwidern. So habe ich die Grausamkeit von „Engine_of_Aggression”s Text sowie die Grausamkeit kriegerischen Denkens überhaupt vorgeführt.
Mir wird nun vorgeworfen, ich habe „zumindest billigend in Kauf genommen, dass der ‘unbefangene’ Leser” meine „Äußerungen als Billigung der Terroranschläge verstehen konnte”.

(Der Diskussionsverlauf ist in Anlage 1 ausführlicher dargestellt.)


Für Medien und Öffentlichkeit ist dieses Verfahren aus mehreren Gründen interessant:

Ich würde mich freuen, wenn Sie das Verfahren gegen mich besuchen und darüber berichten würden. Ich denke, es wird in Bezug auf Meinungsfreiheit, künstlerische Freiheit, die Bewertung von kriegerischer bzw. terroristischer Tötung, Datenschutz, überwachungsstaatliche Tendenzen sowie Zensur des Internet ein interessantes Verfahren werden.

Anhand der in Anlage 1 genannten Quellen sollte der Verlauf der Diskussion deutlich werden, in der ich die kriminalisierte Äußerung abgegeben habe.
Anhand von Anlage 2 sollte deutlich werden, warum das Verwahren meiner Verbindungsdaten illegal war.

Für eventuelle Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Abends und am Wochenende versuchen Sie gerne, mich telefonisch zu erreichen.
Ansonsten stellen Sie am besten per E-Mail oder Fax Kontakt her.

Mit freundlichen Grüßen


Holger Voss


Anlage 1

Der Verlauf der Diskussion erschließt sich aus folgenden Texten:

1. Neuber, Harald: „Das Massaker, das nicht sein darf”
redaktionell veröffentlicht bei Telepolis
20.06.2002 (zwischen 00.00 und 01.12 Uhr)
www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/12758/1.html
Der Autor schreibt über ein Massaker, das mutmaßlich die afghanische Nordallianz an Kriegsgefangenen verübt hat. Die Nordallianz soll bei diesem Massaker von Soldaten der us-amerikanischen und der großbritischen Armee unterstützt worden sein. Mehrere tausend Menschen fielen, soweit bekannt, dem Massaker zum Opfer.

in Reaktion auf 1.:
2. Engine_of_Aggression: „Da trifft es mal die Richtigen !”
offenes Diskussionsforum bei Telepolis
21.06.2002 04.52 Uhr
www.heise.de/tp/foren/go.shtml?read=1&msg_id=1911553&forum_id=30631
Der pseudonyme Autor gratuliert den Tätern zu dem von ihnen verübten Massaker.

in Reaktion auf 2.:
3. Voss, Holger: „EoA zum 11.9.2001.: Gratulation! Das Böse wurde mit der Wurzel ausgerissen!”
offenes Diskussionsforum bei Telepolis
21.06.2002 23.21 Uhr
www.heise.de/tp/foren/go.shtml?read=1&msg_id=1916234&forum_id=30631
Ich übernehme verschiedene Formulierungen aus 2., vertausche aber die Rollen von USA = Opfer und Taliban = Täter, um die menschenverachtende Brutalität von 2. vorzuführen. Obwohl der Text offensichtlich ironisch-überspitzt ist, weise ich noch ausdrücklich darauf hin, dass er möglicherweise Sarkasmus enthält.


Bitte lesen Sie die genannten Texte selbst, um sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen.


Anlage 2

Ich habe (und hatte zum Zeitpunkt des umstrittenen Schreibens) beim Internet-Provider T-Online einen Flatrate-Tarif. Ich zahle also unabhängig von der genauen Internetnutzung monatlich einen pauschalen Betrag. Für Abrechnungszwecke ist es daher völlig belanglos, wann genau ich den Internet-Zugang genutzt habe und welche Internet-Adresse ich jeweils verwendet habe.

§ 6 Abs. 2 TDDSG (Teledienstedatenschutzgesetz):
„Zu löschen hat der Diensteanbieter
1. Nutzungsdaten frühestmöglich, spätestens unmittelbar nach Ende der jeweiligen Nutzung, soweit es sich nicht um Abrechnungsdaten handelt,
2. Abrechnungsdaten, sobald sie für Zwecke der Abrechnung nicht mehr erforderlich sind [...]”

Dass diese Pflicht zur Löschung von Verbindungsdaten eindeutig für Flatrate-KundInnen gilt, macht auch das Bundeswirtschaftsministerium deutlich:
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: e-f@cts. Informationen zum E-Business. Ausgabe 09/Februar 2002. Seite 6 („Datenschutz”):
„Nicht mehr benötigte Daten löschen
Benötigt der Diensteanbieter die Nutzungsdaten allerdings für diese Zwecke [gemeint sind Abrechnungszwecken; HV] nicht mehr, so muss er sie löschen. Und zwar sogar direkt nach einer Bestellung oder einem Auftrag, falls ein Kunde einen Dienst pauschal nutzt, also unabhängig von Umfang oder Art der Nutzung (z. B. Flatrate).”
(www.bmwi.de/Homepage/download/infogesellschaft/efacts09.pdf)

Auch die Fachpresse bestätigt diese Einschätzung:
Holger Bleich und Joerg Heidrich: „Ach wie gut, dass niemand weiss ...”. c’t 19/2002, S. 124 ff.:
„Umgekehrt dürfen aufgrund des allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsatzes der Datensparsamkeit aber keine Informationen über die Nutzung von Flatrates gespeichert werden, da diese für eine Abrechnung eben gerade nicht relevant sind.”
(http://www.heise.de/ct/02/19/124/)

Die Datensammlung durch T-Online wurde auch von staatlichen Stellen als illegal gerügt. Geändert hat sich offenbar bisher nichts:
Holger Bleich und Joerg Heidrich: „Ach wie gut, dass niemand weiss ...„. c’t 19/2002, S. 124 ff.:
„Das führt zurück zum eingangs erwähnten T-Online-Fall: Ausgerechnet der größte deutsche Zugangs-Provider bewahrt sämtliche so genannte ‘Nutzungsdaten’ der Kunden nach eigenen Angaben 80 Tage lang auf – auch die der Nutzer einer T-DSL-Flatrate. Aus diesem Grund haben die Datenschützer T-Online längst im Visier. Seit Anfang dieses Jahres [2002; HV] versucht das Regierungspräsidium Darmstadt als zuständige Aufsichtsbehörde, T-Online dazu zu bewegen, sich datenschutzkonform zu verhalten.”
(http://www.heise.de/ct/02/19/124/)

Die Einschätzung durch einen auf Datenschutz spezialisierten Rechtsanwalt:
Holger Bleich und Joerg Heidrich: „Ach wie gut, dass niemand weiss ...„. c’t 19/2002, S. 124 ff.:
„Für Datenschutzexperten wie den Rechtswanwalt Stefan Jaeger ist die Sachlage eindeutig: ‘T-Online handelt hier rechtswidrig.’”
(http://www.heise.de/ct/02/19/124/)


zuletzt geändert: 24.01.2003 by Webmaster Zurück Start Weiter